Anlass und Ziele
Auf dem ehemaligen Pfaff-Gelände wurden ca. 150 Jahre lang Nähmaschinen produziert. Somit war Pfaff seinerzeit der größte Arbeitgeber der Stadt. Nachdem das Gelände seit 2009 brach lag hat die Stadt es erworben, es soll nun ein innovatives und klimaneutrales Wohn-, Gewerbe- und Technologiequartier entstehen. Bis 2022 werden im Verbundvorhaben „EnStadt:Pfaff“ innovative Planungswerkzeuge und Technologien entwickelt, erforscht und demonstriert. Es wird an den Themenschwerpunkten Energie, Gebäude, Mobilität, Informations- und Kommunikations-Technologie (IKT) geforscht und es erfolgt eine sozialwissenschaftliche Begleitforschung. Bis hin zum klimaneutralen Endausbau soll das Verbundvorhaben die Basis für eine zielgerichtete Entwicklung des Quartiers bilden, als Blaupause für andere Quartiere dienen und Chancen sowie Hemmnisse bei der Umsetzung der Energiewende aufzeigen.
Projektbeschreibung
Energieversorgung
In dieser Themengruppe werden ganzheitlich und sektorenübergreifend mögliche Optionen der Energieversorgung (Strom, Heizwärme, Warmwasser, Kälte, Elektromobilität) unter Berücksichtigung lokaler Ressourcen untersucht. Im Bereich Wärme zählen hierzu unter anderem die (Ab-)Wärmenutzung von ehemaligen Trinkbrunnen auf dem Gelände und in einem Abwasser-Hauptsammler neben dem Untersuchungsgelände sowie die Nutzung industrieller Abwärme einer benachbarten Gießerei. Die Stromversorgung des Quartiers soll vornehmlich über PV-Anlagen auf Dächern und Fassaden erfolgen.
Es werden verschiedene Kombinationen aus Niedertemperatur-Wärmenetzen (45°C), Kalter Nahwärme (10°C), Wärmepumpen, Solarthermie und Photovoltaik sowie entsprechende Speichertechnologien (Strom- und Wärmespeicher) untersucht. Das Pfaff-Gelände ist eine mit Altlasten belastete Konversionsfläche (Versieglungsgrad 80%) und bietet somit nur eingeschränkt Möglichkeiten für geothermische Anwendungen. Die Übertragbarkeit auf andere Konversionsgebiete nimmt daher einen großen Stellenwert ein.
Das Quartiersenergiekonzept zielt auf eine flexible Anpassung der Versorgungsseite an geänderte Rahmenbedingungen ab, sowie auf einen energetisch und ökonomisch optimierten Betrieb der Erzeuger, Verbraucher und Speicher anhand von weiterentwickelten Smart-Grid Lösungen. Gebäudeintern soll zunächst ein idealer „Energie-Ausgleich“ erreicht werden, danach die Optimierung auf Quartiersebene. Ermöglicht wird dies durch ein agentenbasiertes Quartiersenergiemanagementsystem in Verbindung mit einer optimierten Verknüpfung und Steuerung der Energiespeicher.
Gebäude
Fünf Bestandsgebäude des ehemaligen Pfaffwerks (entlang der Pfaff-Achse) sollen erhalten werden, die übrigen Gebäude werden nach dem Abriss durch Neubauten ersetzt. Zunächst werden Techniken für die Bestandsgebäude geprüft, die eine Sanierung auf hohem energetischem Niveau ermöglichen. Ebenso wird bei der Planung der Neubauten beraten und angeregt, die Gebäude mit niedrigem Energiebedarf und einem hohen Maß an Solarenergienutzung (aktiv und passiv) zu errichten. Eine Solar(installations)pflicht in Kombination mit einem Gründach wurde beschlossen.
Eines der Bestandsgebäude ist das „Alte Verwaltungsgebäude“, welches eine gebäudeintegrierte Solarfassade erhalten soll, die sich architektonisch und farblich in das Umfeld einfügt. Zudem soll untersucht werden, ob ein dezentrales, fensterintegriertes Lüftungssystem integriert werden kann.
Im denkmalgeschützten „Neuen Verwaltungsgebäude“ soll ein Medizinisches Versorgungszentrum entstehen. Dabei soll das Gebäude auf das Niveau KfW-70 saniert werden. Die hohen Anforderungen im Bereich des sommerlichen und winterlichen Wärmeschutzes, des Schallschutzes, des Denkmalschutzes und der Ökobilanz werden erfüllt mithilfe von innovativen Holzintegralfenstern mit vier Glasscheiben und einer Jalousie im äußeren Scheibenzwischenraum.
Im „Neuen Kesselhaus“ war bisher ein Reallabor vorgesehen. Um die stadtbildprägende Gebäudehülle in ihrem Urzustand zu erhalten, sollten im Inneren gut gedämmte Boxen errichtet. Damit sollte eine energieeffiziente Nutzung gemäß des Haus-in-Haus Prinzips und gleichzeitig der Erhalt des historischen Erscheinungsbildes gewährleistet. Allerdings ergaben statische Untersuchungen Mitte 2021, dass die Gebäudesubstanz in einem schlechteren Zustand als angenommen war. Alternativ laufen derzeit Überlegungen das Reallabor-Zentrum im Alten Verwaltungsgebäude zu realisieren.
Mobilität
Das Mobilitätskonzept hat die Entwicklung eines möglichst autoarmen, systemischen, smarten und multimodalen eco- und electromobility-Standorts zum Ziel. Innovative und postfossile Mobilitätslösungen komplettieren dabei die hohen Standards in den Bereichen Wohnen, Leben und Arbeit. Durch die intelligente Verknüpfung von Einzelmaßnahmen soll der Charakter einer zukunftsfähigen und innovativen Mobilität im Quartier erreicht werden kann. Bausteine hierfür sind:
- konsequente Förderung von Fußgänger- und des Radverkehr
- Ausweisung von verkehrsberuhigten und teilweise autofreien Bereichen
- Innovative Stellplatzsatzung zur Förderung alternativer Mobilität im öffentlichen und privaten Bereich, gleichzeitig Anreizschaffung für Investor*innen
- Angebot von Fahrrad- und Carsharing
- Integration der Elektromobilität
- Förderung der Inter- und Multimodalität durch flächendeckend im Quartier platzierte Mobilitätstationen zur räumlichen Konzentration verschiedener Maßnahmen
Zentrales Ziel im Quartier ist der frühzeitige Ausbau der Elektromobilität. Die Strategie für den Ladeinfrastrukturausbau basiert auf dem Mobilitätskonzept und den erwarteten Verkehrszahlen. Bereits bis zum Jahr 2022 erfolgt die Errichtung öffentlicher Ladestationen sowie privater Ladestationen an zwei großen Gebäuden, zudem werden neue Ladetechnologien demonstriert. Für alle Ladesäulen ist vorgesehen, sie steuerbar in ein Energiemanagement zu integrieren, um die Netze zu entlasten. Außerdem werden im Zentrum des Quartiers Schnellladesäulen installiert, durch die eine bidirektionale Ladung und Entladung der Fahrzeuge wird. Über Gleichstrom werden diese Ladesäulen an ein Photovoltaik-Batteriesystem angeschlossen.
Digitalisierung
Teil des Leitbilds von EnStadt:Pfaff ist eine Digitalisierung, die unser Leben unaufdringlich unterstützt. Das Ziel der Klimaneutralität soll erreicht werden, indem u. a. nachhaltiges Nutzerverhalten mit Hilfe technischer Lösungen, wie z. B. Apps, gefördert wird. Eine innovative digitale Quartiersplattform soll entwickelt werden, auf der Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen verschiedene digitale Dienste in den Bereichen „Energie“, „Mobilität“, „Smart Home“ oder auch „Gemeinschaft“ nutzen können. Die Plattform stellt dabei sowohl die technische als auch organisatorische Infrastruktur, um einfache und attraktive Services via App zu bieten. Sie bildet den Unterbau, auf dem Anbieter von Diensten leicht kommunizieren und neuartige Kombinationen von Lösungen schaffen können, die keine aufwändigen Vorarbeiten und bilaterale Absprachen erfordern.
Die bisherigen Forschungsarbeiten im Themenbereich Digitalisierung, bei welchen der Mensch im Mittelpunkt steht, sind im IKT-Konzept zusammengefasst.
Bauleitplanung
Grundlage für den Bebauungsplan des Quartiers ("Königstraße - Albert-Schweitzer-Straße - Pfaffstraße") war der städtebauliche Rahmenplan „Ehemaliges Pfaff-Gelände“ in Kaiserslautern, der aus einem mehrmonatigen Planungs- und Beteiligungsprozess resultiert. Er zielt ab auf eine nachhaltige Entwicklung mit einer Nutzungsdurchmischung von Forschung, Technologie, Gesundheit und Wohnen. Der besondere Charakter des ehemaligen Werksgeländes soll dabei bewahrt werden, zum Beispiel durch die Integration ausgewählter Bestandsgebäude. Im Rahmen der Bauleitplanung wurden u.a. folgende Themen berücksichtigt:
- Baukörperstellung: Optimierung von Belichtung, Belüftung, Besonnung, Versiegelung (im Spannungsfeld mit Gebäudeerhaltung)
- Flachdächer: Dachbegrünung, Regenwasserrückhaltung und Solarenergie (> von Solarmöglichkeit zu Solarverpflichtung; Solarleitfaden zur Orientierung bei Umsetzung und Wirtschaftlichkeit)
- Öffentliche und private Grünflächen: Begrünungsanteile und Regenrückhaltung im Rahmen der Möglichkeiten eines erfassten Altstandorts, Aufenthaltsqualität
- Nutzungsmischung und kurze Wege
- Verkehrskonzept: Fokus auf ÖPNV, Fuß- und Radverkehr, Tempolimit 20, Verkehrsberuhigung
- Ganzheitliches Mobilitätskonzept: Stellplatzsatzung zur Reduzierung des PKW-Anteils, Stärkung alternativer Mobilitätsangebote (Carsharing, Miet- und Lastenräder)
Empfehlungen
Im Rahmen des Fachsymposiums „Klimaneutrale Quartiere – Erfahrungen aus dem Leuchtturmprojekt EnStadt:Pfaff“ stellten die Projektpartner im September 2021 erste Erkenntnisse und Erfordernisse für eine erfolgreiche Konzeption und Umsetzung klimaneutraler Quartiere vor. Die nachfolgenden Punkte sind den Präsentationen der Referent*innen entnommen:
- Stärkere Verzahnung der Planungsprozesse (inter-/transdisziplinäre Zusammenarbeit)
- frühe Einbindung von Energiethemen in Bauleitplanung (Vorbereitung Wärmenetz, Anschluss- und Benutzungszwang, Solarsatzung, Gründachpflicht, Technische Anlage vs. Gestaltungsansprüche, etc.)
- Stärkere Berücksichtigung der Klimaneutralität bei der Entscheidungsfindung und Bewertung von Lösungen: erfordert Veränderungsbereitschaft
- Zentrale Verfügbarkeit von aktiv organisierten Quartiersdaten, zugänglich für alle Planungsbeteiligten zur Effizienz- und Qualitätssteigerung der Planung (Datenaustauschplattform und 3D-Quartiersmodell als Basis)
- Entwicklung und Kommunikation innovativer Lösungen sowie Schaffung von Freiräumen zu ihrer Demonstration und Umsetzung (ökonomische, regulative, soziale und organisatorische Barrieren beseitigen)
- Planungsprozesse jenseits des Standards entwickeln Eigendynamik (positive wie negative Auswirkungen) und erfordern längere Planungs- und Realisierungsprozesse
- Berücksichtigung der Zeitschiene der laufenden Gebietsentwicklung im Zusammenspiel mit der wissenschaftlichen Begleitforschung und Bürgerbeteiligung
- Einlassen auf neue Arbeitsweise erforderlich (zeitintensiv, herausfordernd)
- Ergebnis steht nicht von Anfang an fest, sondern entsteht aus Kollaboration
- Konzeption und Umsetzung muss unter dem Aspekt Klimaneutralität aktiv begleitet werden („Kümmerer“ bei der Kommune)
- Import von Restenergie aufgrund der Ausgangslage (Konversion, Altlasten, Innenstadtrandlage) und Gebäudestruktur erforderlich
- vollumfängliche Ausschöpfung lokaler Potenziale an Erneuerbaren Energien und Abwärme)
- Nutzung der Synergieeffekte der Sektorenkopplung: Strom, Wärme, Kälte, Mobilität
- Optimierte Solarenergienutzung durch Photovoltaik und Retentions-Gründächer sowie PV-Fassadenanlagen
- Detaillierte Untersuchung lokaler Potenziale (Energieeffizienz, klimaneutrale Energiequellen) zur Entwicklung der technisch machbaren sowie ökonomisch und ökologisch besten Versorgungslösung
- Langjährige Steuerung der Quartiersentwicklung und intensive Beratung von Investoren bis zum Endausbau erforderlich
- Initiierung und Verknüpfung weiterer regionale Maßnahmen zum Klimaschutz
- Berücksichtigung der Anpassung an Klimawandelfolgen in der Bauleitplanung
- Berücksichtigung multidimensionaler Nachhaltigkeit